Heimaturlaub mit unsichtbarem Gepäck

 

Heimaturlaub. Er beginnt mit einem Koffer.

Nicht zu groß, nicht zu klein.
Und mit dem Gedanken: „Wird schon nicht viel sein.“
Aber du weißt ja, wie das läuft: Die eigentliche Reise beginnt nicht am Bahnhof oder Flughafen, sondern irgendwo zwischen Zahnbürste, Zögern und sentimentaler Vorahnung.

Der elfte Eintrag meines Reisetagebuchs führt mich in die alte Heimat. 
Zu meinem Vater, der heute an einem anderen Ort lebt.
Und zu Momenten, die anders sind, als ich sie kannte, aber genau deshalb wichtig.

Vielleicht findest du in diesem Beitrag etwas, das du kennst:
Das Gefühl, dass „früher“ größer war.
Dass Nähe manchmal anders aussieht.
Und dass ein Käsekuchen mehr sagen kann als jedes klärende Gespräch.

Wenn du dich fragst, was der Erkenntnisgewinn dieses Blogs ist, hier kommt er:

Achte auf dein inneres Gepäck.
Es reist mit, selbst wenn du nur Handgepäck gebucht hast.

Und: Nimm ein Stück Kuchen.
Für alle Fälle.


Es ist erstaunlich, wie wenig man eigentlich braucht, um ein paar Tage wegzufahren. Und wie viel man trotzdem mitnimmt.

Ein kleines Köfferchen. Zahnbürste. Wechselkleidung. Jede Menge Zeug im Kulturbeutel. Vielleicht noch ein Buch, das man sowieso nicht liest (räusper….). Und dann dieses unsichtbare Gepäck: Erwartungen. Erinnerungen. Emotionen, die sich nicht einpacken lassen, aber trotzdem mit wollen.

Ich war für ein paar Tage in Deutschland. Kurztrip. Vater besuchen. Alte Heimat.
So unspektakulär das klingt, so vielschichtig fühlt es sich an.
Und so unerwartet leise laut.


 

Willkommen im Jetzt. Mit Blick zurück.

Mein Vater lebt seit einiger Zeit in einer Seniorenresidenz.
Ein Satz, den ich immer noch mit leichtem Zögern sage. Nicht, weil es nicht gut dort wäre – im Gegenteil. Es ist freundlich. Hell. Es riecht nicht nach Desinfektionsmittel. Es ist kein Ort des Abschieds, sondern einer der Ordnung, der Rituale und der verlässlichen Abläufe. 

Und dennoch: Es ist ein neues Kapitel: Für ihn. Für mich. Für uns. Es ist sein neues Zuhause.

An diesen Tagen treffe ich ihn in seinem Zimmer.
Er trägt ein Poloshirt, das ich gut kenne. Vermutlich, weil er es bereits seit Jahren gerne trägt. Er sitzt in seinem Sessel, ich auf dem Stuhl daneben. Wir trinken Wasser, auch weil es sommerlich warm ist – draußen und im Zimmer. Und wir schauen eine Weile gemeinsam in den schön angelegten Außenbereich hinaus. Der Fernseher bleibt aus, was früher anders war.

Die Gespräche sind kurz.
Er fragt nicht viel. Ist sowieso eher der schweigsame Typ. Ich erzähle trotzdem.
Und merke, dass ich nicht sicher weiß, ob er mir jetzt tatsächlich zuhört, oder ob er einfach nur froh ist, dass jemand da ist. Ich kenne ihn von früher als einen aufmerksamen Zuhörer, ausgesprochen aufnahmebereit und sehr intelligent. 

Ich suche nach einem Lächeln, einem Moment von Nähe. Manchmal finde ich ihn.
Manchmal nicht.


 

Anders da und doch da.

Die Besuche in der Residenz berühren mich auf seltsame Weise.
Sie sind auf ihre eigene Weise leiser geworden. Nicht mehr so „scharfkantig“ wie zu Beginn.
Ich nehme ihn anders wahr: verletzlicher, langsamer und gleichzeitig so würdevoll in seinem eigenen Takt. 

Ich sehe ihn an und denke an all die Rollen, die er für mich früher hatte:
Vater. Autorität. Patriarch. Distanz. Sicherheit. Fragezeichen.
Und nun sitzt da ein Mensch, der einfach nur ist.
Mehr braucht es gerade gar nicht. Obwohl: So ein bisschen Patriarch ist er immer noch.

Und in mir?
In mir bewegt sich eine Mischung aus Wehmut, Akzeptanz und dieser Frage, die sich immer wieder leise meldet:
„Bin ich da genug, wenn ich da bin?“


 

Zwischen Süßem und Sentimentalem

Nach dem Besuch: Bäckerei. Natürlich.
Denn in der alten Heimat isst man nach so einem Termin Kuchen. Vorher geht allerdings auch. 😉
Nicht, weil man Hunger hat. Sondern weil der Kuchen eine Art Seelentrost ist.
Und weil man Dinge, für die es keine Worte gibt, oft besser mit einem Stück Käsekuchen verdaut.

Ich sitze da, mit Blick auf die Straße. Im Ort scheint irgendwie alles geschrumpft.
Früher war hier mehr los. Viele Läden, Kurgäste, Urlaubsgäste, immer Leben auf der Straße. 
Heute wird das kleine Städtchen geprägt vom Bild geschlossener Geschäfte und „Zu vermieten“-Schildern an den Schaufenstern, die einst schöne Auslagen hatten. Hier und da ein paar Menschen mit Einkaufstaschen und ich, in Gedanken zwischen Gestern und Jetzt.

Und trotzdem: Ich bin dankbar, dort gewesen zu sein.
Ich bin dankbar für diese eher stillen Vor- und Nachmittage, das zusammensitzende Schweigen, das Lächeln, das irgendwann doch kam.
Für all das, was nicht gesagt werden musste. Für all das, was gesagt werden musste.

Und ich bin dankbar für dieses tiefe Wissen beim Abschied: Es könnte das letzte Mal sein. Oder auch nicht.
Aber es zählt.

Ich bin dankbar für die Begegnung mit meiner Schwester und für die Unterstützung durch einen weiteren lieben Menschen. Meinen „alten“ Heimatfreunden verspreche ich: Beim nächsten Heimaturlaub sehen wir uns ganz bestimmt; dieses Mal hat die Zeit nicht gereicht.

Das Gefühl, das mich begleitet, ist kein schrilles, eher ein warmes, nachklingendes Etwas.
Wie ein letzter Sonnenstrahl auf der Haut, bevor der Abend kommt.


 

Die Rückreise

Autobahn. Rückgabe des Autos. Weiter mit dem Zug. Am Flughafen dann das gewohnte Spiel:

Warten. Schlange stehen.
Überteuertes Wasser kaufen. Menschen beobachten.
Und dazwischen immer wieder dieser innere Gedanke:
Wie viel nehme ich mit zurück?

Nicht im Koffer.
Sondern im Herzen.

Vielleicht nur dieses Gefühl, dass auch Unvollkommenes seine eigene Würde hat.
Dass ein stiller Blick manchmal mehr sagt als jedes Gespräch.
Und dass wir Menschen manchmal erst dann ganz sehen, wenn die großen Rollen von früher verblassen.


 

Und du?

Wann hast du zuletzt einen Ort besucht, der früher ganz alltäglich war und heute nachdenklich macht?

🔹 Gab es dabei einen Moment, der dich überrascht hat?

🔹 Was nimmst du mit aus Begegnungen, die nicht perfekt sind, aber vielleicht genau deshalb besonders?

🔹 Und was darf sich für dich verändern, ohne dass du gleich alles erklären musst?


Vielleicht ist genau das Teil der Reise zurück zu uns selbst:

Dass wir spüren, was uns wichtig ist.
Auch wenn es nicht laut wird.
Dass wir Nähe zulassen, auch wenn sie sich anders anfühlt als früher.
Und dass wir uns erlauben, diese neuen Töne zu hören: leise, aber ehrlich.

Mit leichtem Gepäck und vollem Herzen,

deine
Annette


 

PS:

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Dann lade ich dich ein, meinen bisherigen Reiseverlauf ab dem ersten Blogbeitrag zur Reise zurück zu mir selbst zu verfolgen.
Zum ersten Eintrag in meinem Reisetagebuch

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